Steht auf, wenn ihr Europäer seid

Der Titel ‘Steht auf, wenn ihr Europäer seid’ ließ mich zunächst an Fußball denken. Doch Fußball war nur Nebensache. Vielmehr handelte es sich um ein Gespräch mit Robert Menasse, das zu Ehren seines im April erschienenen Buches ‘Die Welt von morgen: Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde’ Anfang Juni im Alten Landratsamt in Moers stattfand. Ich schätze seine Romane ‘Die Hauptstadt’ und ‘Die Erweiterung’ sehr und war daher besonders gespannt auf seine Ausführungen über die EU im Kontext der bevorstehenden Europawahl.

Obwohl ich Menasses aktuelles Buch noch nicht gelesen habe, erwarb ich es vor der Veranstaltung in der Barbara Buchhandlung (unbezahlte Schleichwerbung aus Sympathiegründen). Mein Eindruck war noch stark von Nico Semsrotts Werk ‘Brüssel sehen und sterben’ geprägt, das ich kürzlich als Hörbuch genoss. Semsrott malt darin ein düsteres Bild der europäischen Institutionen, indem er Kommission, Rat und Parlament mit Adel, Klerus und mittelalterlichen Bauernparlamenten vergleicht und aufzeigt, wie sich die Eliten zahlreiche Korruptionsmöglichkeiten erschaffen haben. Ich war neugierig darauf, was Menasse dem entgegensetzen würde. Die Ankündigung der Veranstaltung versprach schließlich, dass er in seinem neuen Buch ‘Die Welt von morgen’ nicht nur die europäische Idee erläutert und verteidigt, sondern auch dazu einlädt, die systemischen Widersprüche der Union zu kritisieren und zu überwinden.

Während Nico Semsrott die Probleme der EU anhand konkreter Beispiele detailliert darlegt, plädiert Robert Menasse für die Evolution der EU hin zu einer übernationalen Union. An jenem Abend blieb allerdings offen, wie genau die Überwindung der Nationalstaaten aussehen könnte. Menasse legte den Fokus darauf, das Publikum von der Machbarkeit einer solchen Utopie zu überzeugen. In einem lebhaften Auszug aus seinem neuen Buch führte er die Zuhörer auf eine gedankliche Zeitreise ins antike Griechenland. Dort fragt er, ob eine Demokratie ohne Sklaven, dafür aber mit Frauenbeteiligung möglich sei, und erntet Spott. So illustrierte er eindrucksvoll, dass Demokratie ein fortwährender Prozess ist und dass das, was heute unvorstellbar scheint, morgen schon Realität werden kann.

„Jeder, der den Mauerfall miterlebt hat – den man noch im Oktober 1989 für unmöglich hielt – hat je wieder das Recht zu sagen, dass das politisch Wünschenswerte unmöglich sei.“

Robert Menasse

Zur Europawahl sagte er, dass er diese nicht für eine Schicksalswahl halte. Ob die Rechten am Ende ein paar Prozent mehr bekämen wäre egal, sie würden dann halt ein bisschen mehr blockieren. Eine Schicksalswahl wäre dann allerdings die nächste in fünf Jahren.

Mittlerweile hat die Wahl stattgefunden und nach dem anfänglichen Schock über die europaweiten Zugewinne der Rechten sind tatsächlich viele zu dem Ergebnis gekommen, dass es ja doch noch eine stabile demokratische Mehrheit gäbe. Welche Auswirkungen die Wahl am Ende haben wird bleibt aber abzuwarten. Mit Blick auf Frankreich bin ich nicht sehr optimistisch. Mir macht die Entwicklung große Sorgen.

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